Wenn jemand zu Johannes dem Täufer an den Jordan ging, war es meist der ehrliche Wille, sein Leben wieder auf Gott auszurichten, bei machen war es nur Neugierde. Wenn jemand hinging, um Jünger des Johannes zu werden, meinte er es wirklich ernst. Johannes lebte nicht als Einsiedler in der Wüste, sondern in einer Gemeinschaft. Seine Jünger waren seine Familie. Und diese seine Jünger macht er nun auf Jesus aufmerksam, indem er auf ihn zeigt und sagt: „Seht das Lamm Gottes“. Und die Jünger begaben sich in die Nachfolge Jesu.
Die Größe dessen, was hier passiert, wird erst deutlich, wenn wir die Situation mit der Realität unserer Welt verglichen. Da hätten viele von uns ganz anders reagiert. „Was kann denn der besser als ich?“ „Den Leuten Feuer unter dem Hintern machen kann ich wesentlich besser, der ist ja ein Softi!“ „Der lässt sich ja von den Vornehmen einladen, wo bleibt da das zeichenhafte Leben des
Verzichts, wie ich es führe?“ Auch wir Priester tun uns nicht immer leicht, etwas loszulassen. „So gut wie der kann ich noch immer Pfarrer sein, da bleibe ich es lieber selber!“ Das Mitfreuen mit einem erfolgreichen Kollegen haben wir auch oft nicht erfunden, deshalb ist leider die invidia clericalis, der klerikale Neid sprichwörtlich geworden. So mancher hoffnungsfrohe Nachfolger musste sich schon den Pfarrhof, die Orgel, die Firma, den Bauernhof erobern, weil der Alte nicht loslassen konnte. Johannes spürte, dass seine Sendung erfüllt war. Wie es mit ihm weitergeht, war ganz offen. Trotzdem klammert er sich nicht daran, auch nicht an seine Jünger. Er vertraut auf Gott. Was er macht, ist wahrhaftiger Glaube.
Indem er Jesus die Bezeichnung „Lamm Gottes“ gibt, sagt er auch, warum es nun gilt, diesem nachzufolgen. Wir sind das Wort aus der Liturgie gewohnt, es ist aber eine seltsame Bezeichnung. Dabei werden Tiersymbole oft verwendet, etwas in Wappen. Österreich hat den Adler drinnen, ebenso die USA (Weißkopfadler). Mache Götter wurden als Tiere dargestellt. So waren die uns vertrauten Symbole der Evangelisten, nämlich Mensch, Stier, Löwe und Adler ursprünglich die vier Erdgötter in der babylonischen Mythologie. Sie strahlen Freiheit, Kraft, Stärke aus. Niemand wäre auf die Idee gekommen, ein Lamm dafür auszuwählen. Ein Lamm ist sehr genügsam, man kann alles von ihm gut brauchen (Wolle, Milch, Fleisch). Aber es ist wehrlos, hat weder ein großes Gebiss noch Krallen zum Kampf gegen die Feinde.
Doch die Juden denken beim Lamm an das Pesachlamm, das den Israeliten das Leben rettete und die Flucht aus Ägypten ermöglichte. Sie denken auch an die Gottesknechtslieder von Jesaja, in denen von einem geheimnisvollen Knecht Gottes die Rede ist, der sich wie ein Lamm zum Schlachten hat führen lassen und durch sein Leiden erlöst hat. Wenn wir in der Liturgie beten: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt“ sprechen wir diese Erlösung an.Mit Sünde ist da nicht die persönliche Schuld von jemandem gemeint, sondern das ganze Geheimnis des Bösen, der Finsternis, das uns die Sicht auf das Licht Gottes nimmt. Dieses Mysterium ist es, was Leiden sinnlos erscheinen lässt, was den Tod so schwer macht, weil wir das Heimgehen zum Vater nicht sehen, was Verzicht, Dasein für jemanden so unattraktiv sein lässt, weil sich gleich die Angst meldet, zu kurz zu kommen. Das kann kein Mensch dieser Welt entfernen, da hat nur dieses Lamm Gottes ein Weg hindurch mitten in das Licht Gottes gebahnt.
Johannes der Täufer zeigt uns, was ein Leben aus dem Glauben ist und wem es gilt, nachzufolgen,
Vikar Norbert Glaser