Der Evangelist Markus lässt uns im Evangelium vom vergangenen und dem heutigen Sonntag Jesus einen Tag lang begleiten. Er ist wie ein Zeichner, der in wenigen, sehr präzisen Strichen ein Bild malt, das der Leser selbst im Detail ausmalen soll. Vorigen Sonntag begleiteten wir Jesus mit den frisch berufenen Jüngern in die Synagoge in Kafarnaum zum Sabbatgottesdienst. Dabei heilte Jesus einen Mann mit einer verdorrten Hand, d. h. etwas behinderte diesen Mann, sein Leben in den Griff zu bekommen. Heute gehen wir mit ihm nach dem Gottesdienst nach Hause zu Simon und Andreas, wo Jesus wohl wohnte. Dort heilt er die Schwiegermutter des Petrus, die Fieber hatte. In Zeiten ohne Fieberthermometer und Heizung ist da meist hohes Fieber gemeint, das mit einer Lungenentzündung schnell lebensbedrohlich wurde. Am Abend kommen viele Menschen des Ortes mit Kranken und Behinderten vor dem Haus zusammen. Es war ja Sabbat, wo sogar die Schritte definiert waren, die man gehen darf. Mit dem Sonnenuntergang ist der Sabbat vorbei und man darf wieder was tun. Und Jesus heilte viele. Am frühen Morgen schließlich zieht er sich auf einen Hügel zurück, um mit seinem Vater allein zu sein. Danach geht er mit seinen Jüngern in die anderen Orte der Umgebung.
Man könnte als Überschrift über den Tag „Jesus, der Heiland“ schreiben. Es klingt sehr einfach: Die Menschen sind mit ihren körperlichen und psychischen Leiden da und in Jesus wird der unbedingte Heilswille Gottes sichtbar. Gott will unser Leben, er ist ein Freund des aufblühenden, bunten Lebens. Warum spürt man heute so wenig davon? Weil fast immer, wenn etwas passiert, eine andere Frage da ist: Wer ist schuld daran? Wenn die Oma im Seniorenheim an Corona erkrankt, ist sofort ein Schuldiger gefunden: Das Heim hat nicht gut geschützt, oder die Regierung hat da versagt (auch wenn das Ländersache ist). Wenn später für den Besuch ein negativer Test verlangt wird und die BewohnerInnen schwerer hinaus dürfen, heißt es Freiheitsberaubung. Für beide Fälle haben Heime Prozesse am Hals. Wenn ich mir im Urlaub beim Wandern den Fuß breche, kann ich den Wegerhalter klagen, weil der Weg in einem schlichten Zustand war. Mit der Schuld sind natürlich dann Zahlungen verbunden. Der Alpenverein findet oft keine Wegwarte mehr, weil die ehrenamtlich in ihrer Freizeit diese Aufgabe erfüllen. In Wirklichkeit war vielleicht mein Körper nur für das Sitzen am Schreibtisch und auf der häuslichen Couch optimiert und ich war nach ein paar Stunden Wandern einfach erschöpft. Wenn ein Schuldiger gefunden ist, bin ich es nicht mehr. Ein geheimer Unschuldswahn ist wohl neben dem Geld die eigentliche Wurzel. Die Konsequenzen sind uns aber oft nicht bewusst: Ich nehme mein Leid, meine Behinderung nicht an, weil ja ein anderer dran schuld ist. Der ist dann der Sündenbock (Dieses Phänomen ist versteckt auch schon im Evangelium da: Die Heilung der verdorrten Hand und der Schwiegermutter waren am Sabbat und deshalb verboten. Die Religionspolizisten damals haben damit schon einen Sündenbock für alles mögliche – Jesus selber). Ich kann aber nur das in das heilende Licht Gottes halten, was ich angenommen habe. Dann kann es verwandelt werden. Erich Fried formuliert das klassisch: „Es ist, was es ist, sagt die Liebe.“
Wenn Jesus den Kranken das göttliche Heil erfahren lässt, meint er damit nicht nur ein paar schöne Jahre oder Jahrzehnte, die dadurch möglich werden, sondern ein „ganz heil sein“, das hier auf der Erde beginnt, jenseits aber ganz da sein wird.
Das Evangelium lädt uns ein, das, was uns plagt, anzunehmen und ins göttliche Licht zu halten. Damit verkünden wir den unbedingten Heilswillen Gottes, der jedem einzelnen von uns gilt, heute nicht weniger als damals.
Vikar Norbert Glaser